1.5. Akteure
Einleitung
Metzger
Viehhändler, Fernhändler und Handelsgesellschaften
Ochsenkapitäne und Ochsentreiber (Hajduken)
Empfänger von Zoll- und Mautgebühren, Pachteinnahmen
Anrainer
Die ungarischen Viehzüchter waren zum Teil selbst auch Viehhändlerund trieben die Tiere zu den großen Märkten nach Westungarn oder nach Österreich. In einer Liste von Viehverkäufern, die auf dem Wiener Ochsengries in den Jahren 1560 und 1578 Graurinder verkauften, ist ein Großteil ungarischer Herkunft und kam aus Altenburg (Magyaróvár), Pressburg (Pozsony), Raab (Győr) oder sogar aus Debrecen. Die meisten von ihnen waren Bauern oder Kleinadlige. Der Viehhandel in Westungarn, Österreich und Mähren war größtenteils in ungarischer Hand.
Auch einige ungarische Großgrundbesitzer wie die Familie Batthyány nutzten die Vorteile des Rinderhandels. Herrscher wie der PalatinTamásNádasdyvermehrten mit Ankauf, Mästung und Verkauf ihr Vermögen. Der Fürst GáborBethlen galt in Siebenbürgen als der erste Rinderhändler im großen Stil. Der Dichter und Feldherr MiklósZrínyi finanzierte mit den Einnahmen aus dem Ochsenhandel seine Privatarmee und den Kampf gegen die Osmanen. Die Hüter der Tiere, die Hirten auf der Puszta mit ihrer typischen Kleidung, ihren Traditionen und ihrem Handwerk werden im 3. Kapitel näher vorgestellt.
Metzger
Wie bereits erwähnt, engagierten sich die Metzger aus den Großstädten besonders im Ochsenhandel, einige machten sich selbst auf den Weg zu den Viehmärkten. Es war jedoch auch ein riskantes Geschäft, wobei man auch pleitegehen konnte. Viele der Augsburger Metzgerfamilien sind durch die Augsburger Metzgerakten und diverse Mautrechnungen auch namentlich bekannt, so z. B. Burckhard, Hefele, Koch, Kaufinger, Lutz, Lehndorfer, Reischle, Thenn oder Wagner.Die Familie Burckhart aus Augsburg gehörte zu den fleißigsten Ochsenkäufern auf dem Wiener Ochsengries, ihr Name taucht auch in Mautrechnungen von Pregarten,EbelsbergundNiederpöringauf. Der protestantische Metzger Martin Burckhart der Ältere war übrigens 1583 und 1584 Bürgermeister von Augsburg.
Viehhändler, Fernhändler und Handelsgesellschaften
Neben den einzelnen Viehhändlern und Metzgervereinigungen existierten auch Handelsgesellschaften, größere Firmen, die sich rege am Ochsenhandel beteiligten. Die großen Handelshäuser wie die Haller aus Nürnberg und andere hatten ihre Agenten und Händler in der Nähe der Zuchtgebiete, in Ofen-Pest postiert, um die Geschäfte noch direkter, schneller und gewinnbringender zu gestalten.
Bekannt war auch die Handelsfirma Hans Österreichers selige Erben aus Augsburg, die einerseits im Handel selbst eine Rolle spielte, andererseits aber auch als Kreditgeber der Metzger vorkam.Allein an den Augsburger Ochsenkäufen im 16. Jahrhundert waren 20 Handelsfirmen beteiligt: Österreicher, Zobel, Craffter, Hertzl u.a. Diese handelten meist auch mit feiner Ware wie Seide, Samt, Wolle, anderen Textilien sowie Gewürzen.
DER GEFÜRCHTETE NIKLAS OCHSENFUSS
Unter den Akteuren des Ochsenhandels gab es auch mal gefährliche und kriminelle Gestalten, wie der berühmt-berüchtigte Niklas Ochsenfuß, der zwar als Metzger und Kaufmann nicht schlecht verdiente, jedoch seine Einkünfte öfters mit Straßenraub aufzubessern versuchte. Der Augsburger Chronist Burkhart Zink berichtet über die Hinrichtung von Ochsenfuß, der 1468 schließlich als Raubmörder verurteilt und gevierteilt wurde. „er hatte vilwandels mit burgern, kaufleuten und metzgern, mit ochsen von Ungern, küen und säwen (Säuen)“, heißt es in der Chronik.
Ochsenkapitäne und Ochsentreiber (Hajduken)
Die Herden wurden meistens von einem Ochsenkapitän, dem Chef der Truppe,und weiteren fünf bis sechs Ochsentreibern, den so genannten Hajduken, geführt. Die Ochsenkapitäne waren in der Regel Kleinadelige, die sich sonst als Söldnerführer verdingten und dadurch genug Welt- und Kampferfahrung für dieses oft harte und rauhe Geschäft mitbrachten. Die berittenen und bewaffneten Hajduken kamen zum Teil aus den Zuchtgebieten, aber manchmal auch aus den Verbraucherzentren wie z. B. aus Augsburg. Diese abenteuerlustigen, mutigen und rauhbeinigen Männer, die „Cowboys“ der damaligen Zeit, waren im Kampf gegen die Osmanen erprobt und tauschten ihre Söldnertätigkeit gerne gegen Dienste als Rindertreiber ein.
Wie viele Begleiter, Treiber und Knechte eingestellt werden mussten, hing von der Herdengröße, der Wegbeschaffenheit, aber auf manchen Strecken auch von der Breite der Wege ab. An besonders engen Stellen brauchte man zusätzliche Treiber, um die Tiere auf dem vorgegebenen Weg zu halten. So wurden saisonal und regional immer wieder zusätzliche Leute entlang der Triebwege für den Ochsentrieb eingestellt. Eine Art „Zeitarbeit“ in der damaligen Zeit.
Man geht davon aus, dass eine Herde von 200 Tieren von einem Ochsenkapitän und 3 bis 4 Knechten begleitet wurden. Neben den Ochsentreibern engagierte man zu manchen Trieben auch einen Koch mit Küchenwagen, doch es ist anzunehmen, dass mit der Zeit die zahlreichen Gastwirte am Ochsenweg die Bewirtung der hungrigen Ochsenbegleiter übernahmen.
Empfänger von Zoll- und Mautgebühren, Pachteinnahmen
Profiteure des Ochsenhandels waren auch die Grundherren, die für die Nutzung ihrer Wege oder Weiden Gelder einkassieren und dadurch beträchtliche Nebeneinkünfte erzielen konnten. Die bayerischen Herzöge hatten eine profitable Einnahmequelle durch die Zollgebühren, doch das Herzogtum Bayern spielte auch bei der Verpachtung der Meringer Au eine große Rolle.
Die Grundbesitzer von Ungarisch Altenburg (Magyaróvár) hatten beträchtliche Einnahmen, indem sie die Weideflächen im Seewinkel an Ochsenhändler und Metzger verpachteten. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts lag das Weidegeld bei jährlich 400 – 500 Gulden (fl.).
Die Nutznießer der Mautgebühren waren mal die jeweiligen Landesherren, mal lag die Erhebung der Maut in städtischer Hand, wie z. B. die Welserische Maut von Ebelsberg bei der Stadt Wels.
Anrainer
Wer in der Nähe der Ochsenwege wohnte, konnte mit etwas Planung und Weitsicht leicht bei diesem profitablen Geschäft mitverdienen und zu einem gewissen Wohlstand kommen. Die anliegenden Bauern konnten auf vielerlei Weise etwas dazu verdienen: Sie verkauften Futter für das Vieh, stellten ihre Weiden als Rastplatz für die Herden zur Verfügung, versorgten die Ochsentreiber mit Quartier und Essen oder aber verdingten sichals Viehtreiber für bestimmte Strecken. Viele von ihnen witterten rasch die guten Verdienstmöglichkeiten, kauften Heu und Futter in großen Mengen aus den umliegenden Dörfern auf, um es dann an die vorbeiziehenden Herden mit Gewinn weiterzuverkaufen. Wirte in Gasthöfen boten Weideplätze und auch Stallungen für die Tiere und Unterkünfte für die erschöpften Treiber. Rund um den Ochsenweg entstand durch die Anrainer nach und nach eine Art Infrastruktur, die die Versorgung der Herden bestens gewährleisten konnte.
Manchmal hatte die Aufnahme der fremden Ochsentreiber aber auch negative Folgen für die Gastwirte, wie in dem Fall Kapplerbräu in Altomünster um 1650. Wie der Klosterchronist Frater Ludwig Rieger berichtet, schleppte der Viehtreiber in den Gasthof die Pest ein, woran ein Großteil der Wirtsfamilie verstarb.
DER CLEVERE KONRAD VON WEINSBERG UND SEIN OCHSENGESCHÄFT VON 1422
Auch Personen höheren Standes beteiligten sich gerne am lukrativen Geschäft des Ochsenhandels, wie z. B. Konrad von Weinsberg. Er besaß nur ein winziges Fürstentum in Mittelfranken und nicht viel Geld, diente aber vor allem zwischen 1410 und 1445 drei deutschen Kaisern als Reichskämmerer. Seine Ochsenhandelsrechnung ist ein Unikum in der Geschichte des Ochsenhandels, weil sie über die verschiedenen Kosten, Ausgaben und Einnahmen recht detailliert Auskunft gibt. Der clevere Mann führte Geschäfte als Gesandter des Kaisers durch, verband die offiziellen Reisen oft und gerne mit eigenen Geschäften und verdiente nicht schlecht dabei. 1422 bekam er die Aufgabe, ungarische Ochsen „in diplomatischer Mission“ einzukaufen. Das notwendige Kapital besorgte er bei seinem Schwager Georg von Hohenlohe sowie bei Nürnberger Tuchhändlern. Als Gesandter des Kaisers hatte er die Möglichkeit, 1000 Grauochsen komplett zollfrei aus Ungarn auszuführen und durch Österreich, Bayern und Franken bis zum Rhein-Main-Mosel-Dreieck treiben zu lassen.
Weinsberg kaufte für 1900 Gulden 284 ungarische Ochsen, engagierte dazu drei Ochsenkapitäne mit Knechten und gab ihnen 20 Gulden Vorschuss für die Wegzehrung. Nach drei Monaten erreichten 239 Ochsen ihre Zielorte in Mainz und Bingen. Doch was ist mit den restlichen 45 Ochsen passiert? 25 wurden für Weinsberg selbst „abgezweigt“ und auf seine Rechnung in Nürnberg verkauft. 17 Tiere mussten unterwegs verbilligt verkauft und zwei Ochsen infolge der oft gefährlichen Inndurchquerung bei Schärding notgeschlachtet werden. Ein Ochse ist spurlos verschwunden. Durch die Verkäufe unterwegs wurde ein Teil des Weges auch bestens dokumentiert: Gran (Esztergom), Wieselburg, Wien, St. Pölten, Enns, Schärding, Straubing, Regensburg, Nürnberg, Fürth, Aschaffenburg und Bingen.
Laut Berechnungen lag Weinbergs Reingewinn mit 25 verkauften Ochsen bei ca. 88 Gulden, das gesamte Geschäft brachte insgesamt 536 2/3 Gulden ein. Ein ansehnlicher Betrag für die damalige Zeit!
Über die ausgezeichneteOrganisation des Triebes zeugt außerdem die Tatsache, dass nur ca. 1 % der gesamten Herde (1 verschwundener Ochse plus zwei Notschlachtungen, 3 von 284) während des Transports verlorengingen. Unter den damaligen Bedingungen eine hervorragende Leistung.