1.3. Wichtige Schauplätze

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Einleitung
Viehmärkte
Triebwege/Triften
Triebrouten
Mautstellen
Mastzonen
Abnehmerstädte

Die wichtigsten Aufzuchtgebiete des ungarischen Steppenrindes waren die ungarische Tiefebene, die Täler der Flüsse Kőrös und Maros, Siebenbürgensowie Gebiete weiter östlich von Ungarn wie Podolien, die Moldau, die Walachei und die Ukraine.Diese weniger dicht besiedelten Landschaften boten dem Vieh riesige Weideflächen, wo es nach Herzenslust frei grasen konnte. Die Graurinder wuchsen in größeren Herden auf und wurden im Alter von 3 bis 5 Jahren für den Export ausgewählt. Das Gewichtsminimum für einen ungarischen Exportochsen lag bei 4,5 Doppelzentner, also bei 450 kg, darunter bestand ein Ausfuhrverbot.

In der ungarischen Tiefebene und in Siebenbürgen wurden im 16. Jahrhundert um die 3 Millionen Rinder jährlich gehalten. Das bedeutete einen Viehbestand von 2.000 Rindern pro 1.000 Einwohner, im 17. Jahrhundert stieg die Zahl sogar auf 3.200 Rinder pro 1.000 Einwohner. Diese Mengen reichten sowohl für den Export als auch für die Versorgung der eigenen Bevölkerung.

Viel Brachland, ein günstiges Klima, ein für die Bauern günstiges Pachtsystem und die Befreiung der Rinderhaltung von staatlichen oder grundherrlichen Abgaben führten in der ungarischen Tiefebene zu einem Aufschwung der Rinderzucht und damit zum Aufblühen und Wachstum der ungarischen Marktflecken. Zwischen dem 15. - 17. Jahrhundert wurde 50 - 60 Prozent des ungarischen Nationaleinkommens allein durch die Rinderzucht und die Ochsenexporte erwirtschaftet. Weitere wichtige Exportgüter waren Kupfer, rassige Pferde und ungarischer Wein.

Viehmärkte

Neben dem Wiener Ochsengries, dem Hauptumschlagplatz der ungarischen Graurinder, gab es verschiedene andere Märkte in Österreich, jeweils zu festen Terminen zwischen Mai und September. So hätte der Kalender des Ochsenhändlers im 16. Jahrhundert aussehen können:

25. Mai (St. Urban) – Bruck an der Leitha
15. Juni (St. Vitus) – Götzendorf
04. Juli (St. Ulrich) – Ebenfurth
10. August (St. Laurentius oder St. Lorenz) – Himberg
14. September (Hl. Kreuz) – Laxenburg
25. November (Kathreinmarkt) – Wiener Ochsengries

An dieser Auflistung sieht man, dass in den wärmeren Monaten ziemlich regelmäßig, einmal im Monat, Märkte abgehalten wurden. In Wien dagegen konnte man jeden Freitag und fast ganzjährig ungarische Ochsen ersteigern. Manche Händler konnten so auch zwei Marktbesuche, einen in Wien und einen in Niederösterreich, miteinander verbinden.
Die Stadt Wien besaß das so genannte Stapelrecht, damit waren Käufer wie Verkäufer gezwungen, ihre Viehkäufe in Wien bzw. in Auspitz abzuwickeln.Der Wiener Ochsengries befand sich östlich der Innenstadt, im III. Stadtbezirk, auf dem Gebiet des heutigen Stadtbahngeländes. Auch in Westungarn fanden regelmäßig Viehmärkte statt: in Raab/Győr, in Altenburg/Magyaróvársowie in Sommerein/Hegyeshalom.

Triebwege/Triften

Im Laufe der Zeit entstand ein ganzes Netz von zahlreichen einzelnen Ochsenwegen, die teils parallel zu den vorhandenen Straßen, teils diese kreuzend, quer durch Europa führten und je nach Zustand, Witterung und Jahreszeit unterschiedlich häufig genutzt wurden. Manche Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Ochsentreiber nicht die allgemeinen Verkehrswege und Landstraßen benutzten, die von Kutschen, Planwägen, Händlern, Pilgern und anderen Reisendenfrequentiert wurden. Sie vermuten, dass die Ochsenherden diese Wege einerseits komplett verstopft hätten, andererseits wären dieseschnell von Kot und Harn verunreinigt und nicht mehr passierbar gewesen. In Süd- und Mitteldeutschland wurde das Vieh erwiesenermaßen auch auf den normalen Landstraßen bzw. auf alten Handelsstraßen getrieben.

Vermutlich führten die Ochsenwege meist entlang der Flussniederungen und in der Nähe von Gewässern, denn so standen Tränke wie Futter für die Tiere praktisch zur Verfügung. An manchen Stellen waren riskante Flussüberquerungen notwendig, so zum Beispiel bei der Furt durch den Inn bei Schärding.

Je ortskundiger die Ochsenbegleiter waren, desto besser konnten sie auf die örtlichen Gegebenheiten oder wetterbedingte Hindernissereagieren. Der Ochsentrieb erforderte demnachumfangreiche Vorbereitungen und ortskundige, kampferprobte, belastbare Männer für die Tour. Die Triebrouten mussten im Vorfeld mit den jeweiligen Territorialherren abgesprochen werden, Wasser und Futter für die Tiere waren inregelmäßigen Abständen erforderlich und außerdem sollte gewährleistet werden, dass die Ochsen die anliegenden landwirtschaftlichen Flächen nicht zertrampeln, kahl fressenoderverunreinigen.
Um Flurschäden zu verhindern, wurde der Weg in manchen Gebieten, wie zum Beispiel auf der Strecke von Raab/Győr bis Wien, durch in gleichen Abständen aufgestellte Stangen ausgewiesen und markiert. Die Breite des Triebweges betrug hier stolze 140 Meter.

Manche Wege durften infolge der Dreifelderwirtschaft nur jedes dritte Jahr benutzt werden, wenn die Felder gerade brach lagen, wie in Altomünster, Zeitlbach und Friedberg. Es gab auch Verbote, wie im Falle des KlostersScheyern. Hier durften die Herden die Wege gar nicht passieren. Und auch wenn es mal Streitigkeiten mit Territorialherren oder Anrainern wegen Flurbeschädigungen gab, verlief der Trieb in den meisten Fällen doch relativ reibungslos.

Viele Flurnamen wie Ochsenstraße, Ochsenweg, Ochsengasse, Ochsenrie usw. entstanden sicherlich im Zusammenhang des transkontinentalen Ochsentriebes und zeugen heute noch davon, dass dort große Viehherden aus Ungarn und Osteuropa vorbeizogen. Einige Ortsbezeichnungen beziehen sich auf die Unterbringung und Versorgung der Tiere wie Ochsenbrunn, Ochsenweid u. Ä. Die zahlreichen Flurnamen und andere sprachliche Relikte (Familien- und Ortsnamen) müssen jedoch nicht zwangsweise etwas mit den ungarischen Ochsen und dem Viehhandel zu tun haben, es können in vielen Fällen auch Hinweise auf die heimische Ochsenhaltung sein.Einen eindeutigen Bezug zum Ochsentrieb mit ungarischen Ochsen hatzum Beispiel „derUngarsteig“ in Breitenberg.

Triebrouten

Die Triebrouten sind aufgrund der bisherigen Forschung teilweise bekannt und belegbar, das gesamte Netz der Wege ist jedoch nicht lückenlos und vollständig festzulegen.  Der Verlauf der Triebwege von der heutigen österreichisch-ungarischen Grenze lässt sich ziemlich genau anhand der vorhandenen Dokumente nachverfolgen:

Von Raab/Győr führte der Weg über Ungarisch Altenburg/Magyaróvár, Straßsommerein, Nickelsdorf (heutige Grenzstation) bis nach Zurndorf. Von hier aus gabelte sich der Weg in zwei Richtungen, der eine führte von Parndorf nach Bruck an der Leitha, der andere über Prellenkirchen, Schönabrunn, Petronell nach Fischamend und dann entlang der Donau bis nach Wien. In Bruck an der Leitha teilte sich der Weg wieder in zwei Stränge, der eine führte von Bruck über Stixneusiedl, Trautmannsdorf, Gallbrunn, Margarethen am Moos und Schwadorf nach Fischamend und weiter über Schwechat, Mannswörth, Ebersdorf und Simmering nach Wien. Der andere Strang ging von Bruck über Trautmannsdorf, Götzendorf, Ebergassing, Himberg  und Achau nach Laxenburg.
Die Strecke zwischen Wien/Enns und Ebelsberg, Linz ist nicht hinreichend erforscht. Als mögliche Etappenorte sind die Ortschaften Wieselburg, St. Pölten, Amstetten und Enns aus einer Quelle (1422) bekannt. Dafür ist die Strecke Ebelsberg – Schärding und von dort weiter nach Augsburg belegt.
Von Ebelsberg führte der Weg über Kleinmünchen – Hart – Jetzing – Hitzing – Straßham bis nach Schärding, die Strecke heißt zwischen Schönering und Alkoven „Ochsenstraße“. Eine weitere alte „Ochsenstraße“ in Österreich führt von Hitzing nach Leonding und Linz bzw. nach Pasching und Traun.

Von Wien aus nördlich der Donau führte eine Strecke entlang über Pregarten, Klafferwald und das Tal des Schwarzen Regen, über Viechtach – Cham – Schwandorf nach Nürnberg.

Mehrere Routen führten nach Augsburg:
1. Schärding – Straubing – Langquaid – Neustadt – Geisenfeld – Schrobenhausen – Kühbach – Aichach – Dasing – Friedberg – Augsburg
2. Schärding – Landshut – Moosburg – Pfaffenhofen oder
3. Freising – Allersthausen – Petershausen – Altomünster oder
4. Zeidlbach – Friedberg – Augsburg

Mautstellen

Überall dort, wo die Ochsenherden Grenzen, Brücken, Furten, Gebirgspässe oder Stadttore passieren mussten, wurden Zölle oder Mautgebühren kassiert und in vielen Fällen auch schriftlich festgehalten. Diese Register und Aufzeichnungen geben über den Umfang und die Dauer des Ochsenhandels ziemlich gut Auskunft und dienen den Forschern heute als wichtige Quellen für die historische Arbeit.
Bekannte Mautstellen waren zum Beispiel in Österreich die welserischeViehmaut von Ebelsberg (heute ein Stadtteil von Linz), Pregarten oder Linz; auf deutschem Boden Niederpöring, Schrobenhausen, Aichach, Friedberg und Riedenburg im oberpfälzischen Altmühltal.

Mastzonen

Für die Aufmästung der Tiere vor dem Verkauf oder vor der Schlachtung standen spezielle Mastgebiete, kleinere Weideflächen in der Nähe der Verbrauchszentren, zur Verfügung. Hier sollten die Ochsen auf ihr endgültiges Schlachtgewicht gebracht werden und einen höheren Fleischanteil bekommen. Außerdem wurden die Tiere hier als Schlachtviehreserven für die Städte gehalten, um auch für die Wintermonate vorzusorgen.

Mastzonen gab es bereits im ungarisch-österreichischen Grenzgebiet, im Seewinkel am Neusiedlersee. Diese Weideflächen lagen quasi auf dem Weg, wenn man das Vieh von Raab/Győr oder von Altenburg/Magyaróvár kommend Richtung Bruck an der Leitha treiben wollte. Hier konnte das Vieh noch einmal vor dem Markttermin auf ein besseres Schlachtgewicht gebracht werden. Eine kleinere Mastzone befand sich in der Nähe von Himberg, das ebenfalls als Jahrmarktort bekannt war. Diese Mastzonen im Umkreis der österreichischen Ochsenmärkte dienten auch als „Zwischenlager“ für die Tiere, die auf dem Markt nicht verkauft werden konnten und bis zum nächstmöglichen Verkaufstermin untergebracht werden mussten. Direkt an die Viehmärkte angrenzend gab es ebenfalls „Parkplätze“ für die noch zu verkaufenden Ochsen.

Am bekanntesten von diesen Mastzonen ist die Meringer Au, die sich damals  im Besitz der bayerischen Herzöge  befand. Im Jahre 1526 wurde ein Abkommen zwischen Herzog Wilhelm von Bayern und der Augsburger Metzgerzunft geschlossen, wonach die Augsburger Metzger das günstig gelegene und relativ große Weideland gegen Bezahlung nutzen durften. In diesem Schreiben wurde auch die Anzahl der Weideochsen auf der Meringer Au bei maximal 500 festgeschrieben. Fläche wie Aufnahmekapazität wurden im 17. Jahrhundert auf 700 Ochsen ausgeweitet. Von den Metzgern selbst wurde festgelegt, wie viele Ochsen jeder einzelne hier weiden lassen durfte. 1539 waren es 20 Tiere pro Metzger. Die Verwaltung der Ochsen auf der Meringer Au oblag dem so genannten Aumeister, der auch die Zugehörigkeit der einzelnen Tiere zu überwachen versuchte. Während die Ochsen in Ungarn zur Unterscheidung mit Brandzeichen markiert wurden, verwendete man in der Meringer Au Schnittzeichen. Da diese jedoch nach einiger Zeit mit dem Fell des Tieres verwachsen waren, gab es trotz der Markierungenleidige Diskussionen, wem das eine oder andere Vieh gehörte.

Auch die Stadt Nürnberg kümmerte sich im 16. Jahrhundert um Weideflächen für die Importochsen in der Nähe der Stadt und zahlte die Pacht für die Weidennutzung. Nicht verkauftes Vieh durften die Ochsenhändler kurzfristig im Reichswald weiden lassen. Damit wollte der Stadtrat verhindern, dass das Vieh in andere Städte getrieben wurde. Weitere Weidemöglichkeiten fanden die süddeutschen Metzger in der Pfalz, im Nördlinger Ries bei Wemding,  in Weißenburg oder in Scherneck.

Abnehmerstädte

Die ersten historischen Quellen belegen den Handel mit ungarischen Ochsen in Ulm und Nürnberg. Weitere Reichsstädte wie Augsburg, München, Regensburg, die Residenzstadt Neuburg an der Donauund andere folgten. Viele Tiere kamen aber noch weiter Richtung Westen, nach Frankfurt, Straßburg oder sogar bis nach Köln.

Augsburg war im 16. Jahrhundert mit ca. 25.000 Einwohnern die viertgrößte Stadt Deutschlands und mit den Fuggern und Welsern eine der bedeutendsten Handelsstätten Europas. Die Augsburger lagen in den 70er-Jahren des 16. Jahrhunderts an erster Stelle, was die Anzahl der importierten Ochsen anbelangt.

Eine herausragende Rolle im Ochsenhandel spielte neben Augsburg auch Nürnberg, die drittgrößte deutsche Stadt im 16. Jahrhundert. Die wohlhabenden Kaufleute und Handelsgesellschaften in beiden Reichstädten machten mit ihrem Kapital die Finanzierung der mehrmonatigen Geschäfte in solchem Ausmaß erst möglich. In Nürnberg erinnert uns die lebensgroße Ochsenstatue, das Ochsenportal über der Fleischerbrücke am Hauptmarkt an die Zeiten des großen Viehhandels mit Ungarn.

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1.2. Der internationale Ochsenhandel

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Die vorhandenen historischen Quellen (Handels- und Zollbücher, Mautrechnungen, Metzgerakten u.a.) bezeugen den fast ununterbrochenen Ochsenhandel in Europa zwischen dem 14. und 18. Jahrhundert. Schon zu Anfang des 13. Jahrhunderts gibt es vereinzelte Belege, die die Ausfuhr von ungarischen Ochsen belegen.

Ein weiterer Beleg für den Ochsenhandel im deutschsprachigen Raum stammt aus dem Jahre 1305. Das Handlungsbuch des Nürnberger Fernhändlers Holzschuher enthält einen Eintrag über den Handel mit ungarischen Ochsenhäuten. Gute 50 Jahre später, 1358 hatte ein Nürnberger Patrizier namens Bertold Holzschuher drei Ochsenhändlern 800 Gulden geliehen. Diese stellten als Sicherheit in Ungarn gekaufte Ochsen, die für die Stadt Mainz bestimmt waren.

Zunächst diente der Ochseneinfuhr sicher nur zur Ergänzung des regionalen Angebots. Doch gegen Ende des 15. Jahrhunderts stieg der Fleischbedarf der süddeutschen Städte so rasant an, dass die regionale Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, vor allem mit Fleisch, nicht mehr ausreichte. Das brachte den transkontinentalen Ochsenhandel erst richtig ins Rollen. Im 16. Jahrhundert florierte das Geschäft und erreichte seinen Höhepunkt, indem der Fleischbedarf der süddeutschen Städte größtenteils von ungarischen Ochsen gedeckt wurde. Allein auf dem Wiener Ochsengries wurden zwischen 1548 und 1558 mehr als eine halbe Million (550.000) Ochsen verkauft, die meisten vermutlich an süddeutsche Viehhändler oder Metzger. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts waren die „Ungarochsen“ so dominant auf dem Markt, dass aus Nürnberg der Satz überliefert ist, wonach „von Ungarn ganz Deutschland mit Fleisch gespeist wird“. In der Blütezeit des Ochsenhandels tauschten jährlich 100.000 bis 200.000 ungarische Tiere ihre Eigentümer auf den europäischen Märkten.

Die Türkenkriege und die italienische Konkurrenz

Selbst die Türkenkriege konnten den Handel nicht stoppen: Zwar gab es zeitweise Engpässe bei der Versorgung oder aber die Handelsrouten mussten von Zeit zu Zeit verlegt werden, um den kriegerischen Handlungen und Gefahren aus dem Weg zu gehen. Aber der Handel lief weiter. 1526 bei der Schlacht von Mohács  wurde ein großer Teil Ungarns von den Türken unter Sultan Süleyman dem Prächtigen erobert. Ab diesem Zeitpunkt war das Land 150 Jahre lang dreigeteilt: in das Habsburgische Königreich, eine Provinz Ungarn des Osmanischen Reiches und das Fürstentum Siebenbürgen als Vasallenstaat der Osmanen.
Während des Krieges zwischen den Habsburgern und dem Osmanischen Reich von 1593 - 1606 erhöhte Kaiser Rudolf II. die Zollsätze, was zum rapiden Rückgang der Ochsentriebe führte. Wann immer die Einfuhr der ungarischen Ochsen aus politischen oder anderen Gründen ins Stocken geriet, griffen die Metzger vermehrt auf polnische oder dänische Ochsen aus dem Norden oder auf Waldochsen aus dem Bayerischen Wald zu.

Hier ist ein Schlachthof in Budapest abgebildet.

Engpässe gab es auch durch die italienische Konkurrenz, wie zum Beispiel Ende des 16. Jahrhunderts, als venezianische Viehhändler einen Großteil der ungarischen Ochsen bereits an der ungarischen Grenze aufgekauft hatten, so dass nur eine geringe Anzahl  von Graurindern auf dem Wiener Ochsengries angeboten werden konnte. Die finanzkräftigen Venezianer schnappten so einige Male den süddeutschen Händlern die gute Ware vor der Nase weg. Kaiser Rudolf II. verbot daraufhin im Jahre 1597 den Händlern aus Venedig, direkt in Ungarn einzukaufen und hoffte, dass der Viehhandel damit wieder vermehrt auf dem Wiener Ochsengries abgewickelt werden würde. Doch das störte die Venezianer herzlich wenig, sie verlegten ihre Handelswege kurzerhand in Richtung Kroatien und umgingen damit einfach die Bestimmungen und Zölle der Habsburger.

Der Dreißigjährige Krieg (1618 – 1648) bewirkte zwar einen drastischen Rückgang des Handels, bedeutete jedoch noch nicht das Ende der Ochsenexporte. Eine einschneidende Zäsur brachten die Jahre von 1670 bis 1720. Die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Habsburgern und dem Osmanischen Reich zerstörten nach und nach die gesamte Infrastruktur, die dem Handel zugrunde lag. Ungarische Ausfuhrzölle machten außerdem im 18. Jahrhundert den Ochsentrieb unrentabel. Zwar gab es noch Ochsentransporte und -handel bis ins 19. Jahrhundert, doch die Mengen und die Bedeutung, die das Ochsengeschäft im 16. Jahrhundert besaß, wurden nie wieder erreicht.
Der transkontinentale Ochsenhandel bescherte drei- bis vierhundert Jahre lang verschiedenen Bevölkerungsgruppen ein gutes Einkommen, trug in zahlreichen europäischen Städten zur Lebensmittelversorgung der Menschen bei und hinterließ seine Spuren in vielen anderen Bereichen wie in der Sprache und der Kultur.

Die Triebzeiten konzentrierten sich auf die wärmeren Monate im späten Frühjahr, Sommer und Herbst: Die Saison für den Ochsentrieb begann im Mai und dauerte in der Regel bis Oktober. Spitzenmonat war laut verschiedener Mautrechnungen der Monat Juli. Die meisten Ochsen erreichten die süddeutschen Städte in den Monaten September und Oktober.

Preisdumping und 30-Kilometer-Etappen

Der Weg vom Aufzuchtgebiet bis zum Bestimmungsort war sehr lang und betrug meistens um die 1.000 Kilometer, in manchen Fällen sogar mehr. Damit die Rinder unterwegs nicht zu viel an Gewicht verloren, wurden auch Weideflächen als Rast- und Mastplätze eingeplant, meistens in der Nähe der Fleischmärkte. Die tägliche Marschroute lag bei 20 bis 30 Kilometer pro Tag. Eine stolze Leistung! Somit waren die meisten Herden mindestens vier bis sechs Wochen, manchmal sogar einige Monate unterwegs zu den Verbrauchern.

Über die Größe der Herden gibt es sehr unterschiedliche Angaben, meistens in den Mautrechnungen und Zollbüchern. Mal waren es nur 30 bis 50, mal aber auch riesige Herden mit bis zu 1.000 Ochsen. Es ist jedoch anzunehmen, dass die Ochsentreiber in den meisten Fällen mit durchschnittlich 100 bis 200 Tieren den langen Weg antraten. An manchen Engstellen, wie bei Stadttoren, Brücken, Furten oder eng bebauten Feldern kamen sie nur mit kleineren Herden durch. Jede Herde wurde von einem „Ochsenkapitän“ und weiteren Ochsentreibern begleitet. Die Treiber wurden teilweise unterwegs gewechselt, oft übernahmen einheimische, ortskundige die Führung für bestimmte Strecken.
Manchmal, wenn auch nur selten, mussten Tiere unterwegs wegen Schwäche oder Krankheit verkauft oder notgeschlachtet werden, die meisten Rinder erreichten trotz des strapaziösen und langen Wegs ihren Bestimmungsort ohne größere Schäden.

Fleischhaus zu Nürnberg: "Ungarn giebt uns wilde Stier desen sich die Metzger freuen.." Radierung um 1700.
Fleischhaus zu Nürnberg: "Ungarn giebt uns wilde Stier desen sich die Metzger freuen.." Radierung um 1700.

Die Ochsenpreise variierten stark, sowohl im zeitlichen Verlauf, als auch geografisch gesehen. So stieg der Wert der importierten Tiere zum Beispiel von Ost nach West deutlich an. In Wien betrug der Marktpreis für ein Paar Ochsen leicht das zwei- bis dreifache vom ursprünglichen Preis der Züchter in Ostungarn. In Augsburg konnte der Ochsenhändler den Preis jedoch noch weiter steigern, da er die Transportkosten (Futter, Löhne für Treiber usw.) und seinen eigenen Gewinn noch mit dazu rechnen musste. Konkrete Beispiele liegen unter anderem aus dem Jahre 1580/90 vor: Erstpreise in Ungarn lagen in dieser Zeit bei zehn Gulden, beim Wiener Importtor betrug der Preis in der gleichen Zeit rund zwölf bis 17 Gulden, in Nürnberg stieg ersogar auf bis zu 18  bis 22 Gulden.
Auch im Laufe der Zeit stiegen die Preise der „Ungarochsen“ stetig nach oben: Ein Vergleich zwischen den Jahren 1529 und 1560 zeigt eine Steigerung der Preise von rund 50 bis 60 Prozent.  Die Verteuerung des Ochsenfleisches hat einerseits mit dem Anstieg der Triebkosten wie Löhne, Futterpreise oder auch Mautgebühren zu tun, andererseits spielten Angebot und Nachfrage auf den Märkten immer eine entscheidende Rolle. Somit waren die Preise stets größeren Schwankungen ausgesetzt.  

Im Laufe der Zeit entwickelte sich überdies ein differenziertes Angebot: Es gab verschiedene Qualitätsstufen auf dem Markt, die demnach auch sehr unterschiedliche Preise bei den Metzgern bzw. den Verbrauchern erzielen konnten.

Bei den Großhändlern gab es natürlich auch Rabatte, diese „Ermäßigungen“ von drei bis vier Prozent beim Einkauf von größeren Herden wurden meistens in Form von Dreingaben gegeben, das heißt, der Käufer erhielt noch einige Tiere gratis dazu. Im östlichen Teil Ungarns gaben die Viehhändler den Einkäufern von Exportochsen auch einige Jungochsen als Geschenk dazu.

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1. Die Geschichte des Oxenwegs

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Stellen Sie sich einmal vor, Sie müssten bis zu 200 Ochsen von der ungarischen Puszta nach Augsburg oder Nürnberg transportieren. Mit den Möglichkeiten einer ausgeklügelten Logistik kein Problem, oder? Vor 500 Jahren standen den Menschen diese Errungenschaften nicht zur Verfügung.

Die "Cowboys" des Mittelalters und der Frühen Neuzeit führten die Ochsherden bei widrigsten Umständen, auch in Kriegszeiten und bei jedem Wetter mehrere Wochen quer durch Europa. Dabei sollten Zeitpläne eingehalten, Räuber und wilde Tiere ferngehalten und keine Tiere krank werden oder verloren gehen. Dies war eine logistische Glanzleistung, die zwischen 1350 und 1750 aufrecht erhalten wurde, um den Fleischhunger der Bürger zu befriedigen.

Während der Jakobsweg, Handelsstraßen wie die Bernstein- oder die Seidenstraße und auch die römischen Heeresstraßen allgemein bekannt sind, ist der „Europäische Oxenweg“ für viele Menschen noch ein unbeschriebenes Blatt, obwohl der Ochsenhandel in Europa lange Zeit einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor darstellte. Erst der Augsburger Altstraßenforscher Dr. Hermann Volkmann und die Historikerin Dr. Christina Dalhede setzten die ersten Impulse, diesen alten Handelsweg wieder näher zu erkunden. Ausgehend vom Wittelsbacher Land begann 2004 die Wiederbelebung des historischen Osenweges. Aus dem altbairischen Oxenweg wurde im Laufe der Jahre der Europäische Oxenweg, an dem sieben LEADER-Regionen aus Deutschland, Österreich und Ungarn beteiligt sind.

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1.1. Anfänge und Ursachen

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Nach dem Ende der Pestepidemien in Europa wuchsen die Bevölkerungszahlen rasch an. Größere Ballungszentren mit wirtschaftlicher Wichtigkeit entstanden. Umliegende Weideflächen fehlten für die Viehzucht. Die Ackerflächen nutzte man vorwiegend für die Industriepflanzen wie Hanf und Flachs, das verbleibende Land für die Schafzucht. Fleisch wurde zur Mangelware. Nur Tauschgeschäfte von Nahrungsmittel und Industrieprodukten zwischen Ost und West konnten Abhilfe schaffen.

Auch drastische Klimaverändungen der Frühen Neuzeit machten Mensch und Tier zu schaffen. Die ungarische Tiefebene und andere, noch entfernter liegende Regionen Osteuropas hatten dagegen klare Vorteile in der Viehzucht: riesige Weideflächen und die Tiere waren den wechselnden Temperaturen und dem Winter gegenüber resistenter. Das ungarische Graurind konnte ganzjährig im Freien gehalten werden. Und es galt in damaligen Zeiten als das Nonplusultra auf dem europäischen Fleischmarkt. 

Auch die Essgewohnheiten änderten sich rapide. Vor allem bei der aufstrebenden Bürgerschicht, die sich diesen Luxus leisten konnte. Üppiges Essen, opulente Festmahle und bürgerliche Hochzeiten mit einem reichhaltigen Fleischangebot wurden zum Statussymbol.

Der übermäßige Fleischkonsum, oftmals in Kombination mit zu viel Alkohol, führte bei zahlreichen Wohlhabenden zur  Gicht, zu einer typischen Krankheit dieser Zeit. Berühmte Gichtkranke waren beispielsweise Kaiser Karl V. Heinrich VIII, Johannes Calvin oder Michelangelo.

Wichtige politische und gesellschaftliche Ereignisse, wie zum Beispiel die im 16. Jahrhundert in der Stadt Augsburg abgehaltenen Reichstage, zu denen jeweils 10 bis 15.000 Gäste angereist waren, erforderten von der Stadt, die Fleisch- und überhaupt die Nahrungsmittelversorgung für diese „Events“ zu organisieren und zu gewährleisten. Auch wenn diese nur einen zeitlich begrenzten Mehrbedarf an Fleisch erforderten, beeinflussten sie die Entwicklung des Ochsenhandels erheblich. Für das Reichstagsjahr 1530 wurden 6.774 Ochsen geschlachtet, 834 mehr als ein Jahr zuvor. Durch die Gäste erhöhte sich die Einwohnerzahl der Stadt um rund ein Drittel und so musste auch wesentlich mehr Fleisch zur Verfügung gestellt werden, das aus Ungarn eingeführt wurde.


Die Landshuter Fürstenhochzeit 1475 und andere üppige Feste
Im Jahre 1475 fand die berühmte Landshuter Hochzeit des bayerischen Herzogs Georg des Reichen mit Hedwig Jagiellonica, der Tochter des polnischen Königs Kasimir IV. Jagiello, statt. Was bei diesem Fest auf den Tisch kam, wissen wir aus historischen Quellen: 323 Ochsen, 285 Schweine, 1.133 Schafe, 1.537 Lämmer, 490 Kälber, 11.500 Gänse und 40.000 Hühner machten das reichhaltige Fleischangebot aus, das neben vielen anderen Speisen und Köstlichkeiten von den Hochzeitsgästen verspeist wurde. An dem Festmahl nahmen mehrere tausend Leute teil.
Bei einem anderen Festessen 1452 in Konstanz zu Ehren des Bürgermeisters waren 100 „Mannen“ eingeladen. Laut Rechnungen der Stadt wurden hier fast 200 Kilogramm Fleisch (Rind, Schwein, Wurst, Hennen, Enten und anderes Geflügel) aufgetischt, dazu 300 Karpfen, Hechte und 140 kleinere Fische, von Brot, Reis, Kuchen, Nüssen und Süßspeisen, ganz zu schweigen. Zum Trinken gab es nicht weniger als 537 Liter Wein. Sicher ist hier einiges übriggeblieben, denn auch damals konnte keiner der Gäste 2 Kilo Fleisch, dazu drei bis vier Fische und noch weitere Nahrung verzehren und dazu noch fünf Liter Wein herunterspülen. Doch die große Fülle des Angebots und das Übermaß an Fleisch sind bezeichnend für die Festivitäten der damaligen Zeit.

Quellen: Dirlmeier, Dalhede Abel, in: Grilllmaier; www.statista.com; Hirschfelder


Ein äußerst lukratives Geschäft

Das Preisgefälle zwischen den Zuchtgebieten im Osten und den Verbrauchermärkten im Westen ermöglichte es den Händlern, den Vieheinkauf und den gesamten Trieb mitsamt Personal zu finanzieren und dennoch nach dem Verkauf einen beträchtlichen Gewinn zu erzielen. Einen besonderen Anreiz bot dabei die sogenante „Preis-Revolution“, die Tatsache, dass die Schlachtviehpreise in den süddeutschen Städten und in Westeuropa im 16. Jahrhundert wesentlich schneller stiegen als in Ungarn.
Die Ochsenzucht und der Ochsenhandel wurden somit für viele Beteiligte ein lohnendes Geschäft, das gerade deswegen mehrere Jahrhunderte aufrechterhalten und ausgebaut wurde und bestens funktionierte. 

Hier sehen Sie das originelle Rezept für Ochsenfüße.
Hier sehen Sie das originelle Rezept für Ochsenfüße.

 

Aus dem New Kochbuch von Marx Rumpoldt von 1851

Koche die Oxenfüße in Wasser, lasse sie auskühlen, säubere sie und entbeine sie, dann lege sie in Essig ein, dem du ein wenig Salz beigegeben hast. Darinnen lasse sie eine Stunde liegen, dann nimm sie heraus und schneide sie klein, dass es dünn ist. Vor dem Anrichten lege sie in eine Schüssel und gieße frischen Essig darüber, streue Ingwer und gesäuberte, kleingezupfte grüne Petersilie darüber. Also pflegt man gemeiniglich zu Nacht zu einem Salat zu geben, sonderlich im Sommer.

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